IMMK

Anzeichen und Ablauf einer Hornhautentzündung

IMMK (Immunmedierte Keratitis, „Herpeskeratitis“)

Seit einigen Jahren scheint die Anzahl der primären nicht ulzerativen entzündlichen Hornhauterkrankungen beim Pferd zu steigen. Besonders die Erkrankungen, bei denen die Ätiologie auf einer Entgleisung der Immunkompetenz der Hornhaut zu beruhen scheint, haben vermeintlich stark zugenommen. Die relative Zunahme dieser bei den Pferden einzigartigen Form der Keratitis spiegelt aber wahrscheinlich nur die wachsende Aufmerksamkeit der Pferdebesitzer für Augenerkrankungen wieder. Im anglo-amerikanischen Sprachgebrauch hat sich der Begriff IMMK (Immunmedierte Keratitis) herauskristallisiert, um die heterogene Gruppe der primär nicht ulzerativen Keratitiden mit mutmasslich immunbedingter Entzündung der Hornhaut zu definieren.

Per definitionem gehören zu den typischen Symptomen dieser Keratitis der progressive chronische Verlauf (>3 Monate), die anhaltende, bzw. rezidivierende punktuelle oder landkartenartige Hornhauttrübung (der oberflächlichen Schicht = Epithel) mit deutlichen Anzeichen einer primären Infiltration der äusseren Hornhautschichten mit Entzündungszellen. Ein begleitendes Hornhautödem (nur obere Hornhautschichten), oberflächliche Blutgefässeinsprossung, konjunktivale Schwellung bis zur Chemosis und zunehmende Schmerzhaftigeit (Blepharospasmus) mit starkem Juckreiz kennzeichnen den Verlauf dieser Erkrankung, die häufig ohne nachvollziehbaren Anlass von einem Tag auf den anderen, meist nur an einem Auge, ohne epidemiologische Besonderheiten auftritt.

Weitere charakteristische Merkmale sind das Fehlen einer sekundären Uveitis, die Abwesenheit von nachweisbaren Mikroorganismen und die rasche, vorübergehende Verbesserung der Symptomatik bei einer enzündungshemmenden Therapie (steroidale und nicht-steroidale Entzündungshemmer) in lokaler und systemischer Applikation.

In der Regel ist der Nachweis einer bakteriellen Infektion negativ, eine Laboruntersuchung (PCR) auf das Vorhandensein von Virusmaterial DNA (EHV2/EHV5) ist aber häufig positiv. Auch wenn die Rolle der Virusinfektion noch nicht endgültig geklärt ist, haben Untersuchungen gezeigt, das bei fast 90% der Augen mit einer IMMK-Symptomatik, bei denen eine Operation der Hornhaut (Keratektomie) vorgenommen wurde, equine Herpes-DNA in den äusseren oder tieferen Schichten der Hornhaut nachgewiesen werden konnte. Epidemiologisch kann man aber die Besitzer eines Pferdes, bei dem der Abstrich vom Auge auf Herpes (EHV2 oder EHV5) positiv war beruhigen, denn es ist nicht mit der Ansteckung/Erkrankung weiterer Pferde im Stall zu rechnen. Vielfach sind sowieso die meisten Pferde im Stall schon Träger des Virus, ohne jemals erkrankt zu sein. Ausserdem darf man den Herpesvirusty Typ 2 und Typ 5 nicht mit den gefährlicheren Erkrankungen der Atemwege oder dem Virusabort/Verfohlen (EHV Typ1 oder EHV Typ 4) verwechseln.

Obwohl in vielen Publikationen aus Europa und den USA die klassische Verlaufsform der IMMK immer wieder sehr ähnlich beschrieben wird, scheint es doch im geografischen Auftreten und der klinischen Verlaufsform Unterschiede zu geben, die von den verschiedenen Autoren variabel interpretiert werden. Ob dies jedoch tatsächlich Unterschiede in der Ursache der Erkrankung oder der Patientenpopulation widerspiegelt, ist zurzeit noch nicht definitiv erforscht.

Anfangsstadium einer IMMK mit punktförmigen Trübungen und kleinen konfluierenden Bezirken

Anfangsstadium einer IMMK, disseminierte Verteilung der punktförmigen, epithelialen Trübungen

Stadium 2 einer IMMK. Akute Aktivierung des bis dahin latenten Verlaufs mit starker Schmerzhaftigkeit

Klinischer Verlauf

Die verschiedenen Verlaufsformen der IMMK unterschieden sich hauptsächlich darin, wie tief die Hornhautschichten betroffen sind (epithelial, oberflächliches Stroma, mittleres Stroma, Endothel) und der Art der zellulären Infiltration. Wahrscheinlich gehört auch die sog. Eosinophile Keratitis zum IMMK-Komplex, obwohl hier der überwiegende Teil der zellulären Infiltration charakteristischerweise aus eosinophilen Zellen besteht. Die IMMK tritt in 85% aller Fälle unilateral auf, Rasse-, Alters- oder Geschlechtsdispositionen scheint es nicht zu geben.
Die epitheliale IMMK ist durch multifokale punktförmige Trübungen gekennzeichnet („k. punctata„), die von einem Mikroödem umgeben sind. Das Anfärben der Mikroläsionen mit Farbstoff (Fluorescein) gelingt selten, eine Bengalrosafärbung ist jedoch meist positiv.

Primär besteht keine Hornhautvaskularisation und das Pferd zeigt kaum Anzeichen von Schmerz, daher wird dieses Erkrankungsstadium auch häufig nicht bemerkt.  Dieses Krankheitsstadium (Stadium I) kann sich in zeitlich unterschiedlichen Intervallen (4 Wochen bis 20 Monate) wiederholen.
Eine Sonderform entwickelt sich ähnlich wie das Stadium I, wenn korneale Trübungen fehlen und nur diskrete limbale Gefässeinsprossungen zu einem chronischen Verlauf des klinischen Bildes (intervallartige Schmerzhaftigkeit) führen. Wie sich diese Form der IMMK einordnen lässt, ist bisher fraglich.

Atypischer Verlauf einer IMMK mit stagnierender Trübung und Gefässeinsprossung

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Fortschreitende Entzündung der Hornhaut bei einer IMMK im Stadium 3

Akute Symptomatik bei einer IMMK im Stadium 4 mit Einschmelzung oberflächlicher und tiefer Hornhautstrukturen

Rund ¾ aller erkrankten Augen entwickeln aber ein sich anschliessendes Krankheitsbild (Stadium II), welches dann über die genannten Symptome hinaus gekennzeichnet ist von einer zunehmenden Hornhauttrübung (landkartenartig), beginnender umschriebener oberflächlicher Blutgefässeinsprossung (zuerst parallele, perilimbale Vaskularisation, später auch zentripetale dendritische Verzweigung) einsetzender Verfärbung (über Gelb nach Grün) des Epithels und der oberen Hornhautschichten, sowie einem deutlichem Ödem , das nun bis in die subepithelialen Bereiche vordringt. Die Pferde zeigen straken Tränenfluss, krampfartigen Lidschluss (Blepharospasmus), vermehrte Rötung der Konjunktiva, deutlichen Juckreiz im Kopfbereich, Fressunlust und Aktivitätsverweigerung können auftreten.

Bei weiterhin progressivem Krankheitsverlauf (Stadium III) verstärkt sich die nun die Blutgefässeinsprossung, zentral bildet sich ein erst noch oberflächliches Granulationsgewebe (Pannus) aus, das Ödem dringt bis in das mittlere Stroma vor und die durch Nekrose der Zellen bedingte Verfärbung der Hornhaut wird intensiver, manchmal ist auch zentral eine Einlagerung von Kalziumverbindungen zu beobachten (Hornhautdegeneration). Das Allgemeinbefinden des Patienten ist in der Regel stark gestört, anfallsweises starkes Scheuern, Schwellung der Lider bis hin zu Lidverletzungen, treten auf. Eine schmerzbedingte enge Pupille kann den akuten Schub begleiten.

Chronischer Verlauf einer IMMK mit geringen Beschwerden, aber zunehmender Ausbreitung und Degeneration des Hornhautepithels

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Chronischer Verlauf der IMMK mit rezidivierenden Beschwerden und Vordringen in tiefere Schichten der Hornhaut

Aktivierung einer chronischen IMMK zu einer schmerzhaften akuten Keratitis profunda

Bei weiterhin fehlender Therapie entwickelt sich nun häufig sehr plötzlich ein dramatisches Krankheitsbild (Stadium IV). Massiver Lidkrampf, massiv gestörtes Allgemeinbefinden und durch exzessives Scheuern bedingte massive Schwellung der Bindehäute (Chemosis) kennzeichnen ein weiteres Ausbreiten der Nekrose und Vordringen in die Tiefe der Hornhaut. Nicht selten kommt es zur grossflächigen Ablösung der betroffenen Hornhautschichten, die verbliebenen Hornhautschichten (vornehmlich die Descemet’sche Membran) sind perforationsgefährdet.

Ausbreitung der Keratitis und Zerstörung der oberflächlichen Hornhautschichten

Einschmelzende Keratitis mit Ulkusbildung und Perforationsgefahr

Endstadium einer nicht therapierten IMMK nach Perforation der Hornhaut und Erblindung